Zeitreise durch die Gewerkschaft (1945-1971)
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Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst
Seit 80 Jahren im Einsatz für Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität
Als die Gründer des ÖGB in den Apriltagen 1945 erstmals zusammentrafen, herrschten Elend, Unsicherheit und Angst. Der Zweite Weltkrieg war noch nicht zu Ende, rund um Wien wurde noch hart gekämpft. Die Erinnerung an die Schrecken des Krieges und an das nationalsozialistische Terrorregime war allgegenwärtig: Millionen Menschen wurden in Konzentrationslagern ermordet, weil sie Juden waren, politisch anders dachten, homosexuell waren oder als „lebensunwert“ galten. Auch viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wurden verfolgt, inhaftiert, gefoltert oder hingerichtet. Sie hatten sich dem Regime entgegengestellt – im Widerstand, durch Hilfe für Verfolgte oder durch den Versuch, demokratische Werte am Leben zu erhalten.
Gründung des ÖGB und der GÖD
In dieser Zeit der Not war die Gründung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) am 15. April 1945 ein Meilenstein der Erneuerung. Nur wenige Tage nach der Befreiung Wiens und parallel zur Proklamation der Unabhängigkeit Österreichs wurde mit dem ÖGB ein demokratisches Gegengewicht zur totalitären Vergangenheit geschaffen. Die „Gewerkschaft der öffentlich Angestellten“ – heute GÖD – war (und ist) eine der Teilorganisationen des ÖGB. Bereits am 8. Mai 1945 wurden Grundsätze formuliert, am 1. Juni 1945 die ersten Mitglieder aufgenommen, am 16. Juli 1945 fand die erste Vorstandssitzung statt. Der erste Vorsitzende, Franz Rubant, erinnerte 1946 an die Verfolgung der Kolleginnen und Kollegen: „Unzählige Berufskollegen mussten in Kerkern und Konzentrationslagern Leben und Gesundheit opfern oder haben als aufrechte Demokraten den Tod durch Henkerhand erlitten.“1
Demokratie als täglicher Auftrag
Ein Ziel war von Anfang an klar: Nie wieder Diktatur, nie wieder Faschismus. Der ÖGB verpflichtete sich in seinen Statuten zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechtsstaatlichkeit, zur Bekämpfung des Faschismus, zur Verteidigung der Menschenrechte und zur Mitwirkung an einem sozialen Europa. Die Einheitlichkeit der Gewerkschaft war ein bewusster Bruch mit der Vergangenheit: Statt parteipolitischer oder berufsständischer Zersplitterung bildete man eine Gewerkschaft, die alle Arbeitnehmer:innen vereinte. Die Überparteilichkeit des ÖGB sichert seither demokratische Willensbildung, politische Vielfalt und gesellschaftliche Wirkungskraft. Diese demokratische Ausrichtung ist heute aktueller denn je. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zeigen, wohin es führt, wenn demokratische Institutionen zerstört, Meinungs- und Pressefreiheit unterdrückt und Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Wie zerbrechlich demokratische Strukturen sein können, zeigt sich derzeit exemplarisch am Beispiel der Vereinigten Staaten. Permanent führen kurzfristig erlassene Dekrete zu Irritationen auf den internationalen Märkten und zu tiefer Verunsicherung in der Gesellschaft. Maßnahmen wie die Einführung protektionistischer Schutzzölle oder die willkürliche Rückführung von Migrant:innen lassen eine bedenkliche Abkehr von den Grundwerten einer liberalen Demokratie erkennen. Die Polarisierung nimmt zu, der Ton in der öffentlichen Debatte verroht, institutionelle Kontrollmechanismen werden offen infrage gestellt.
All das mahnt uns, wie rasch demokratische Errungenschaften unter Druck geraten können – selbst in Staaten mit langer demokratischer Tradition. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit: Meinungsfreiheit, freie Medien, faire Wahlen und politische Mitbestimmung sind zentrale Errungenschaften, die hart erkämpft wurden – von mutigen Menschen, oft unter Einsatz ihres Lebens.
Die Europäische Union als Friedensprojekt
In diesem Zusammenhang ist auch die Europäische Union von zentraler Bedeutung. Sie ist ein Projekt des Friedens, geboren aus den Trümmern zweier Weltkriege. Der Europatag am 9. Mai erinnert an die Schuman-Erklärung von 1950, mit der der Grundstein für die europäische Einigung gelegt wurde. Österreichs Beitritt zur EU 1995 war ein weiterer Schritt hin zu wirtschaftlicher Stabilität, politischer Sicherheit und gemeinsamer Werte. Die EU hat Reisefreiheit ermöglicht, Arbeitnehmerrechte gestärkt, den Binnenmarkt geschaffen und Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zum verbindlichen Maßstab erhoben. In Österreich hat die EU vieles verbessert: umweltpolitische Standards, Konsumentenschutz, Förderprogramme für Regionen und Bildung, aber auch internationale Mitsprache. Sie ermöglicht jungen Menschen durch Programme wie Erasmus+ Erfahrungen in anderen Ländern zu sammeln und fördert den interkulturellen Austausch. All das stärkt nicht nur den Einzelnen, sondern auch das gemeinsame Europa.
Bedrohung der Demokratie
In vielen europäischen Ländern bedrohen rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien die demokratische Ordnung. Sie schüren Hass, spalten Gesellschaften, relativieren die NS-Verbrechen und attackieren die freie Presse. Ihre vermeintlich einfachen Antworten gefährden die Grundfesten unserer Gesellschaft. Sie fordern nationale Alleingänge statt europäischer Zusammenarbeit, untergraben rechtsstaatliche Prinzipien und setzen auf autoritäre Führung statt auf demokratische Kontrolle. Dem müssen wir als Demokraten entschieden entgegentreten – durch Aufklärung, zivilgesellschaftliches Engagement, eine starke Sozialpartnerschaft und den konsequenten Einsatz für Gerechtigkeit und Zusammenhalt.
Gerechtigkeit, Mitbestimmung und Solidarität
Bereits 1946 wurde das Mitbestimmungsrecht im Rahmen einer Personalvertretung gefordert. Dieses war zwar erlassmäßig, aber dadurch unzureichend, geregelt. Mit Ausdauer, Mut und Solidarität wurde unerlässlich an dieser Forderung festgehalten und es dauerte schließlich noch mehr als 20 Jahre bis mit Beschlussfassung im Nationalrat und Verlautbarung des Personalvertretungsgesetzes im April 1967 für die öffentlich Bediensteten die innerbetriebliche Interessensvertretung auf gesetzlicher Basis erreicht war! Auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Lage dramatisch: Öffentlich Bedienstete arbeiteten in Ruinen, litten unter Hunger, Kälte und Perspektivlosigkeit. Viele hatten keine Verträge, keine klare rechtliche Grundlage, waren noch nicht einmal auf die Republik vereidigt. Die Gewerkschaft kämpfte dafür, dass – zur Herstellung der Besoldungsgerechtigkeit – die unter den Nationalsozialisten „gemaßregelten Beamten“ rehabilitiert wurden. Diese sollten zu den erlittenen physischen und psychischen
Schäden zumindest keine finanziellen Nachteile haben. Die Gewerkschaft setzte sich von Anfang an insbesondere für eine faire Besoldung, für Leistungsgerechtigkeit und für ein modernes Personalwesen ein. Für die GÖD steht das Prinzip der Solidarität im Zentrum: Nicht nur die eigenen Interessen verfolgen, sondern sich für andere einsetzen. Das unterscheidet eine starke, demokratische Gewerkschaft von egoistischen Einzelinteressen. Der ÖGB – und mit ihm die GÖD – hat sich stets auch für das Gemeinwohl engagiert: für wirtschaftliche Stabilität, soziale Gerechtigkeit, eine leistungsfähige Verwaltung und das friedliche Zusammenleben aller Menschen.
Für eine friedliche, demokratische Zukunft
Heute, 80 Jahre später, ist vieles anders. Und doch bleibt vieles gleich. Die demokratischen Grundwerte, die die Gewerkschaft aus der Erfahrung von Krieg, Diktatur und Verfolgung mit auf den Weg bekommen hat, sind auch heute unverzichtbar. In einer Zeit wachsender Unsicherheiten, sozialer Ungleichheiten und politischer Radikalisierung braucht es eine starke Stimme für Demokratie, Solidarität und soziale Verantwortung. Wir sind es den Gründerinnen und Gründern, den verfolgten Kolleginnen und Kollegen, den Opfern des Nationalsozialismus und nicht zuletzt uns selbst und den kommenden Generationen schuldig, für diese Werte einzustehen. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst steht heute wie damals für Menschenwürde, Gerechtigkeit, Mitbestimmung – und für ein Europa des Friedens, der Freiheit und der Demokratie.
1 Der Öffentlich Angestellte, Folge 1, April 1946,
Verfasser: OTTO AIGLSPERGER, Leiter des Bereichs Organisation und Wirtschaft in der GÖD, GÖD-Magazin Ausgabe 2025

der Roten Armee am 13. April 1945 auf der
Wiener Ringstraße vor dem Parlamentsgebäude.