Alkoholkonsum und Versicherungsschutz
Die Erhöhung der Gefahr für sich oder andere kann auch im dienstlichen Kontext Konsequenzen haben.
Dieser Beitrag stammt aus dem GÖD-Magazin 7/2025 von Mag. Stefan Jöchtl
Alkohol und Dienstverrichtung
Auch wenn ein Glas Wein ein Genuss(mittel) ist und nur für bestimmte Berufsgruppen ein absolutes Verbot von Alkohol im Dienst besteht, ist zu bedenken, dass der Alkoholkonsum die Gefahr eines Unfalls zweifellos erhöht. Schätzungsweise 8 bis 25 Prozent aller Arbeitsunfälle ereignen sich unter Alkoholeinfluss. Und auch wenn in vielen Tätigkeitsbereichen der Konsum von Alkohol nicht untersagt werden kann, stellt sich im Falle eines schädigenden Ereignisses die Frage, ob eine festgestellte Alkoholisierung Konsequenzen hat. Diesbezüglich ist gesetzlich ausdrücklich normiert, dass sich Bedienstete durch Alkohol, Arzneimittel oder Suchtgift nicht in einen Zustand versetzen dürfen, in dem sie sich oder andere gefährden.1 Ein Verstoß gegen diese Bestimmung kann eine Haftung gegenüber dadurch geschädigten Bediensteten auslösen.2
Alkohol und gesetzliche Krankenversicherung
Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gilt, dass zwar die schwere Alkoholvergiftung mit Gefahr einer toxisch bedingten Ateminsuffizienz eine versicherte, notwendige Krankenbehandlung ist, bei der bloßen Alkoholintoxikation ohne Zeichen einer vitalen Gefährdung hingegen zwar zunächst Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. Anstaltspflege im Sinn einer Klärung des Krankheitsverdachts besteht, dieser allerdings erlischt, sobald sich herausstellt, dass lediglich ein alkohlisierter Zustand „mäßigen Grades“ vorliegt, der Patient also allein der Ausnüchterung bedarf.3 Ein Krankengeldanspruch besteht nicht, wenn die Krankheit eine unmittelbare Folge von Trunkenheit ist.4 Unter Trunkenheit ist ein Zustand zu verstehen, in dem eine Person nach Genuss von alkoholischen Getränken in ihrem Bewusstsein getrübt ist. Auf das Überschreiten eines bestimmten Blutalkoholwerts kommt es nicht an.5
Alkohol und gesetzlicher Unfallversicherungsschutz
Nach der ständigen Rechtsprechung bewirkt im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung die bloße Tatsache einer Alkoholisierung allein noch nicht den Ausschluss des Versicherungsschutzes. Ein Anspruch auf eine Leistung aus der Unfallversicherung ist nur dann zu verneinen, wenn die Alkoholisierung die rechtlich erhebliche Ursache für den Eintritt des Versicherungsfalls war. Wenn der Zusammenhang zwischen Alkoholgenuss und Unfall rein zufällig war und der dem Alkohol innewohnende Gefahrenbereich für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich sein konnte, geht daher sogar im Fall einer schweren Alkoholisierung der Versicherungsschutz nicht verloren. Ereignet sich der Unfall auf eine Art, die geradezu typisch für Unfälle ist, die Folge der Alkoholbeeinträchtigung sind, so ist davon auszugehen, dass der Unfall seine Ursache nicht in den üblichen Gefahren der Betätigung hatte, sondern die Folge der Alkoholisierung war.6 Nur wenn dann dem Bediensteten7 der Beweis gelingt, dass nicht die Alkoholisierung, sondern andere Ursachen wie z. B. ein technisches Gebrechen den Unfall auslösten, besteht Unfallversicherungsschutz. Die Unfallursache und die Bedeutung der Alkoholisierung für das Unfallgeschehen ist aber im Sozialgerichtsverfahren von Amts wegen zu erheben und festzustellen.8
Nicht aber jede durch Alkohol herbeigeführte Minderung der Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit und jedes damit verbundene Absinken der Leistungsfähigkeit und Arbeitsqualität ist als ein wesentlich allein alkoholbedingter Leistungsabfall zu werten. Bei Würdigung aller Umstände dürfen nur solche Verhaltensweisen als Anzeichen eines alkoholbedingten Leistungsabfalls gewertet werden, die typisch für die unter Alkoholeinfluss stehende Person sind.9 Wenn daher wegen einer nachweislichen (dienstlichen) Übermüdung nicht sicher ist, dass das Einschlafen während der Heimfahrt nicht auch alleine durch die festgestellte (hohe) Blutalkoholkonzentration aufgetreten wäre, so ist dieses Ereignis unfallversicherungsrechtlich geschützt, weil man vom Arbeitnehmer nicht verlangen kann, dass er sich erst entsprechend ausruht, bevor er den Weg nach Hause antritt.10
Alkoholklausel im privaten Versicherungsbereich
Der im Rahmen der privaten Unfallversicherung zulässigerweise standardmäßig vereinbarte Risikoausschluss für Unfälle, „die die versicherte Person infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung ihrer psychischen oder physischen Leistungsfähigkeit durch Alkohol (…) erleidet“ (sog. Alkoholklausel), kommt auch dann zum Tragen, wenn eine starke Alkoholisierung für den gänzlichen Wegfall sozialadäquaten Verhaltens und für anlasslose Aggression gegen unbeteiligte Dritte zumindest mitursächlich war und sich daraus das Unfallgeschehen entwickelt. Dass der Alkoholkonsum dabei auch unmittelbar für das konkrete Unfallgeschehen (etwa einen Sturz) selbst ursächlich war, muss dabei nicht nachgewiesen werden.11
1 §§ 15 Abs 4 ASchG, 15 Abs 4 B-BSG.
2 OGH 8 Ob A 68/23t.
3 OGH 10 ObS 99/08v, 10 ObS 75/09s.
4 § 142 Abs 1 Z 2 ASVG.
5 OGH 10 ObS 369/01i.
6 OGH 10 ObS 42/25m.
7 Personenbezogene Bezeichnungen umfassen in unseren Rechttexten zum besseren inhaltlichen Verständnis gleichermaßen Personen jeden Geschlechts.
8 OGH 10 ObS 133/98a.
9 OGH 10 ObS 423/98y.
10 OGH 10 ObS 2/11h.
11 OGH 7 Ob 78/16w.