06.08.2016

Alltagsgeschichte: WUT - MUT

Text: Monika Gabriel: GÖD-Vorsitzender-Stellvertreterin
und Bereichsleiterin der GÖD-Frauen

 

Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine 15-jährige Tochter, deren sehnlichster Wunsch es ist, Gartenbaulehrling zu werden. Sie helfen Ihrer Tochter, eine passende Lehrstelle zu finden, und sind sehr zufrieden, dass das nach einiger Zeit gut gelingt. Die Lehrstelle ist im selben Bundesland, und der Weg von der Wohnung zur Lehrstelle ist gut bewältigbar. Die Eltern sind Inhaber eines Holzbearbeitungsbetriebes und sehr froh, dass die Tochter sich für einen „praktischen Beruf“ entschieden hat. Die Tochter hat nicht nur sehr große Freude an diesem Lehrberuf, sie entwickelt auch ein außerordentliches Geschick, sodass sie zu den jährlich stattfindenden Wettbewerben eingeladen wird. An diesen Wettbewerben (gegen Ende des 3. Lehrjahres) nehmen mit überwiegender Mehrheit junge Männer des Lehrberufs teil. Sie ist so geschickt, engagiert, kräftig und kreativ, dass sie bei einem dieser Leistungswettbewerbe ERSTE wird und ihre Leistung mit einer Medaille und viel Lob honoriert wird. Die Burschen akzeptieren sie, der „Lehrherr“ ist sehr zufrieden mit ihr und lobt ihr zusätzliches soziales Engagement bei der freiwilligen Feuerwehr. Ihre schulischen Leistungen in der Berufsschule sind ausgezeichnet. Gegen Ende des 3. Lehrjahres erfährt sie über Umwege, dass genau dort, wo sie derzeit Lehrling ist, eine Planstelle frei wird. Sie bewirbt sich, mit ihr bewirbt sich noch ein anderer männlicher Lehrling. Eine interne Aufnahmekommission tritt an der Dienststelle zusammen. Diese Aufnahmekommission weiß u. a. auch, dass es ein Bundes-Gleichbehandlungsgesetz und einen Ressort-Frauenförderplan gibt, der sehr weit von der Erfüllung der Erfordernisse entfernt ist. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen erhält der männliche Lehrling „die Planstelle“ und somit einen Dienstvertrag zum Bund. Die junge Frau ist schwer enttäuscht, erzählt den Vorfall ihren Eltern, die ihr raten, sich an die Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK) zu wenden. Die junge Frau fasst all ihren MUT zusammen und übermittelt der Bundes-Gleichbehandlungskommission eine Sachverhaltsdarstellung mit der Frage, ob das möglicherweise eine Form von Diskriminierung sei. Die B-GBK behandelt diesen Sachverhalt, dabei holt sie Unterlagen vom Dienstgeber ein, lädt neben der Antragstellerin auch Dienstgebervertreter zur Sitzung ein, damit beide Seiten gehört und Argumente vorgebracht werden können. Auf Grund der Vorbringen beraten die Mitglieder der B-GBK die Sachlage und erstellen ein dementsprechendes Gutachten. Es ist wohl nicht schwer zu erraten, dass der Senat zum Ergebnis „Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ gekommen ist … Als erwerbstätige Frau, Mutter, Gewerkschaftsfunktionärin und Mitglied in der Bundes-Gleichbehandlungskommission fühle ich mit dieser jungen Frau und kann nicht verstehen, dass es im Jahr 2016 solche deutlichen Fälle von Frauendiskriminierung überhaupt noch gibt. Zumal der Dienstgebervertreter kein einziges nachvollziehbares Argument für diese Form der Entscheidung darlegen konnte. Ich hoffe sehr, dass solche „Fälle“ in Zukunft nicht mehr vorkommen. Diese junge Frau wird, aufgrund ihrer bewiesenen Zivilcourage und der Tatsache, dass sie eine ausgezeichnete „Gärtnerin“ ist, ihren Erwerbs- und Lebensweg meistern, aber im Berufsleben erachte ich solche Vorfälle als „Schande für die Gesellschaft“. Beschämend.

 

Artikel aus dem Göd Magazin 04/16 auf Seite 36

Schlagworte

Frauen

Mehr zum Thema