25.04.2025

Die Zeit heilt alle Wunden ...

… leider auch vertragswidrige Eingriffe, wenn man sie nicht bekämpft.

Dieser Beitrag stammt aus dem GÖD-Magazin 3/2025 von Mag. Stefan Jöchtl

 

Rechtsunwirksame Änderungen des Arbeitsverhältnisses
Es kommt vor, dass der Arbeitgeber von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht, dies aber – bei richtiger rechtlicher Betrachtung – nicht der Fall ist. Diesfalls besteht das Arbeitsverhältnis weiter, der Arbeitgeber gibt aber zu erkennen, dass er von einer Beendigung mit einem bestimmten Datum ausgeht. Diese Situation kann vor allem bei befristeten Arbeitsverhältnissen auftreten, aber auch dann, wenn ohne die gesetzlich vorgesehene Befassung des Betriebsrates gekündigt wird oder wenn die Beendigung an bestimmte Gründe1 oder die Zustimmung eines Gerichtes oder einer Behörde2 gebunden ist, aber auch, wenn die Beendigung gesetzliche Folge einer längeren Dienstverhinderung ist. In all diesen Fällen besteht das Arbeitsverhältnis auch über das vom Arbeitgeber angenommene Enddatum hinaus aufrecht fort. Gleiches gilt für vertragswidrige Versetzungen, auch diese sind, sofern der Arbeitnehmer3 dem nicht zugestimmt hat, unwirksam. Ebenso gilt dies für verschlechternde Versetzungen, denen dort, wo ein solcher errichtet ist, der Betriebsrat nicht zugestimmt hat.

Geltendmachung als Obliegenheit des Arbeitnehmers
Ganz allgemein ist man gewohnt, dass ein an sich zustehendes Recht so lange durchgesetzt werden kann, als dieses nicht verjährt ist oder ein Verfall eingetreten ist. Die allgemeine gesetzliche Verjährungsfrist beträgt zwar 30 Jahre, für laufende Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis aber nur drei Jahre. Da es erkennbar unbillig wäre, die Fortsetzung eines als vom Arbeitgeber beendet angesehenen Arbeitsverhältnisses bis zu 30 Jahren danach einfordern zu können, ist es allgemein anerkannt, dass die Geltendmachung zeitlich enger begrenzt sein muss und mangels gesetzlicher Eingrenzung muss in jedem konkreten Fall beurteilt werden, ob das Verhalten des Arbeitnehmers als stillschweigendes Einverständnis mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewertet werden muss. Aus der Nichtgeltendmachung eines Anspruches durch längere Zeit ist aber in der Regel noch kein Verzicht abzuleiten. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, welche die spätere Geltendmachung als unzulässig erscheinen lassen. Es wird also auch dem vertragswidrig handelnden Arbeitgeber ein schutzwürdiges Interesse an der Klarstellung, ob der Arbeitnehmer auf einer Fortsetzung des (ja rechtlich nicht wirksam beendeten) Arbeitsverhältnisses besteht, zugestanden.

Der Fortsetzungsanspruch des Arbeitnehmers erfordert nach ständiger Rechtsprechung des OGH nicht nur die Bereitschaft, unter den bisherigen Bedingungen weiterzuarbeiten, sondern auch ein aktives Handeln. Der Arbeitnehmer muss sein Recht zur Verhinderung der Auflösung geltend machen, die Auflösung anfechten und dem Arbeitgeber durch die Bekundung seiner Leistungsbereitschaft zeigen, dass er am Arbeitsverhältnis festhalten möchte. Während einerseits eine gerichtliche Geltendmachung mit Klage noch während des aufrechten Dienstverhältnisses als rechtzeitig beurteilt wurde4, wurde andererseits auch judiziert, dass, sofern klar ist, dass die Fortsetzung nur auf gerichtlichem Wege zu erreichen sein wird, eine unverzügliche Einforderung mit Klage zu erwarten wäre5 und diesfalls selbst eine Geltendmachung noch in der Kündigungsfrist nicht rechtzeitig ist. Die Bekämpfung einer Versetzung erst 15 Monate nach deren Wirksamkeit und 11 Monate nach dem letzten Ablehnungsschreiben des Arbeitgebers wurde als nicht rechtzeitig beurteilt.6

Einzelfallbeurteilung
Es hängt also immer vom Einzelfall ab, ob der Arbeitnehmer durch sein Verhalten – abhängig von den jeweiligen Umständen – eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er auf eine Bekämpfung der Änderung verzichtet. Immer ist aber auch zu prüfen, ob die Geltendmachung durch besondere Umstände, wie etwa eine unklare Rechtslage, erschwert war und welcher Zeitraum zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv als angemessen zuzugestehen ist. Die Notwendigkeit, die Fortsetzung zeitnah einzufordern, kann aber so weit gehen, dass in einem über 20 Jahre andauernden, 14-mal befristeten und nur durch eine Scheinanstellung bei einem Dritten unterbrochenen Arbeitsverhältnis, das letztlich unzulässig befristet war, zu prüfen ist, ob sich der Arbeitnehmer nicht etwa doch mit dem Zeitablauf einverstanden erklärt hat, weil er im letzten Jahr nicht gleichsam fortlaufend auf einer Verlängerung bestanden hat.7

Schritte zur Rechtswahrung
Der Arbeitnehmer muss also aus Vorsichtsgründen sobald als nur möglich gegen die rechtsunwirksame bzw. einer Rechtsgrundlage entbehrende einseitige Maßnahme des Arbeitgebers vorgehen, indem er klar zum Ausdruck bringt, dass er mit dieser nicht einverstanden ist. Bei einer Beendigung oder einem Zeitablauf muss auf einer Fortsetzung bestanden werden, bei einer Versetzung auf die Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz bzw. in den bisherigen Aufgabenbereich. Dafür genügt zunächst eine formlose, außergerichtliche Geltendmachung, bis hin zu einem bloß mündlichen Verlangen. Anzuraten ist aus Gründen der Beweisbarkeit im Falle eines nachfolgenden Gerichtsverfahrens natürlich ein schriftlicher Beleg. Die Aufgriffsobliegenheit bezieht sich bei wiederholten Befristungen aber nur auf das jeweils aktuelle, zuletzt vereinbarte Arbeitsverhältnis. Daher ist es unproblematisch, wenn ein zuvor vereinbarter Zeitablauf nicht angefochten wurde, solange das Arbeitsverhältnis danach erneut befristet fortgesetzt wurde. Sollte das außergerichtliche Verlangen nicht fruchten, muss in einem zeitlich wiederum angemessenen Abstand eine gerichtliche Geltendmachung erfolgen. Andernfalls wird der Verlauf der Zeit auch diese Wunde heilen – allerdings im Sinne des Arbeitgebers.

 


1   So in den Fällen einer Kündigung nur aus gesetzlich normierten Gründen wie grundsätzlich in den Dienstrechtsgesetzen der Gebietskörperschaften.
 Hier v. a. die Fälle der begünstigt behinderten Arbeitnehmer, der Schwangerschaft, Elternkarenz oder -teilzeit sowie der Betriebsratsmitglieder.
 Personenbezogene Bezeichnungen umfassen in unseren Rechtstexten zum besseren inhaltlichen Verständnis gleichermaßen Personen jeden Geschlechts.
4   OGH 8 ObA 224/02b.
 OGH 8 ObA 55/12i.
6   OGH 9 Ob A 13/19f.
7   OGH 9 ObA 3/25v, wobei die Dauer des Arbeitsverhältnisses in Rn 5 vermutlich unrichtig mit 2020 bis 2023 statt 2002 bis 2023 wiedergegeben ist.