28.03.2024

Entschädigung bei Nichtgewährung von Ruhezeiten

Ruhepausen und Ruhezeiten

Dieser Beitrag stammt aus dem GÖD-Magazin 1/2024
von Mag. Stefan Jöchtl

 

Bei allen unselbständigen Beschäftigungen, deren Wesenskern ja mit der Umstand ist, dass die Tätigkeit auch von ihrer Lage und Dauer wesentlich durch den Arbeitgeber bestimmt wird, bestehen gesetzliche Vorgaben, die die Einhaltung von Ruhepausen und Ruhezeiten garantieren sollen. Auf europarechtlicher Ebene ist die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung maßgeblich, die bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden eine Ruhepause, pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden und pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden vorschreibt. Diese Vorgaben sind, da Richtlinien grundsätzlich nicht unmittelbar anzuwenden sind, in Österreich für den öffentlichen Sektor in den Dienstrechtsgesetzen und für den privaten Sektor v. a. im Arbeitszeitgesetz und im Arbeitsruhegesetz umgesetzt. Im konkreten Arbeitsablauf trifft dabei den Dienstgeber die Verpflichtung, die Einhaltung dieser Vorgaben zu gewährleisten.

Ruhepause
Für die Ruhepause im Rahmen der täglichen Arbeitszeit gilt, dass diese ihrer Lage nach vorhersehbar sein, also zu einem vorab fixierten Zeitraum erfolgen muss oder (wie meist bei gleitender Arbeitszeit) vom Dienstnehmer innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums frei gewählt werden kann. In dieser Pause muss der Dienstnehmer dann auch über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können. Wird diese Voraussetzung nicht eingehalten und kann die Pause demnach nicht im Sinne des Gesetzes gehalten werden, ist sie als Arbeitszeit abzugelten.

Ausgleichsruhezeiten und Ersatzruhe
Bei der wöchentlichen Ruhezeit kann es in Ausnahmefällen, wie etwa bei unmittelbar notwendiger Gefahrenabwehr1 vorkommen, dass Ruhezeiten nicht eingehalten werden können. Diesfalls ist im privaten Sektor eine Ersatzruhe, die eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit bewirkt, vorgeschrieben und im öffentlichen Sektor meist eine entsprechende Ausgleichsruhezeit, die in der Regel ohne Auswirkung auf die Normaldienstzeit ist, zu gewähren. Kann auch die Ersatzruhe im privaten Sektor zulässigerweise nicht eingehalten werden, ist diese im Ergebnis finanziell abzugelten, andernfalls der Arbeitgeber ja bereichert würde, eine einvernehmliche Abgeltung („Ablöse“) ist hingegen unzulässig. Im öffentlichen Sektor ist bei ebenso nur aus besonderen Gründen nicht zu gewährender Ausgleichsruhezeit dienstrechtlich in der Regel keine weitere Kompensation vorgesehen2. Ersatz für den Verlust an Lebenszeit In Fällen, in denen aber die Nichtgewährung der (Ausgleichs-)Ruhezeit vom Arbeitgeber zu verantworten ist, ist zu beachten, dass diesen ja die Pflicht trifft, auf die Einhaltung der Mindestruhezeiten zu achten, diese zu kontrollieren und jede Überschreitung zu verhindern. Der Oberste Gerichtshof hat, der Entscheidung des EuGH in der Rs Fuß/Halle3 (Rechtssprechung Günter Fuß gegen Stadt Halle) folgend, bereits in zwei Fällen4, die öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse betrafen, entschieden, dass Schäden, die einem Arbeitnehmer durch Verstöße gegen die RL 2003/88/EG und gegebenenfalls gegen die diese Richtlinie umsetzenden Gesetze entstanden sind und nicht schon (etwa durch Ersatzruhezeiten) im Rahmen des Dienstverhältnisses ausgeglichen werden, im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu ersetzen sind. Bemerkenswert ist, dass der EuGH dabei ausdrücklich klargestellt hat, dass einem Arbeitnehmer, dem durch den Verstoß seines Arbeitgebers gegen sein Recht auf Ruhezeiten ein Schaden entstanden ist, nicht zugemutet werden darf, zuvor einen Antrag bei diesem Arbeitgeber zu stellen, um einen Anspruch auf Ersatz dieses Schadens geltend machen zu können.

Soweit es sich um den rein immateriellen Schaden handelt, der über den Verlust der entsprechenden Freizeit nicht hinausgeht, wird dieser analog der Abgeltung der nicht gewährten Ersatzruhe bemessen werden können. Sofern aber besondere Umstände oder ein darüber hinausgehender, echter Vermögensschaden (etwa durch Gesundheitsschädigung) vorliegen, kann auch ein entsprechend höherer Anspruch gegeben sein. Allerdings gilt, wie für Schadenersatzansprüche sonst auch, dass diese binnen drei Jahren ab dem Zeitpunkt verjähren, zu welchem der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt wurde. Da die Verletzung der Ruhezeiten grundsätzlich sofort objektiv feststeht, beginnt mit diesem Zeitpunkt die Verjährung jedenfalls für den immateriellen Schaden zu laufen.

 

1 Siehe zB § 20 AZG, § 11 ARG.
2 VwGH 2013/12/0176 und Ra 2019/12/0058.
3 EuGH C-429/09.
4 OGH 1 Ob 169/22t und 1 Ob 82/23z.