Kündigung abgewehrt
Manche Kollektivverträge enthalten besondere Kündigungsschutzbestimmungen. Wenn diese vom Arbeitgeber nicht eingehalten werden, kann die Kündigung von der gekündigten Person bei Gericht angefochten werden.

Dieser Beitrag stammt aus dem GÖD-Magazin 4/2025 von Dr. Martin Holzinger
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte einen relativ aktuellen Fall aus dem Anwendungsbereich des Kollektivvertrages für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten (nachfolgend „KV“) über eine Arbeitgeberkündigung zu entscheiden.1 Konkret hat die Entscheidung die Prüfung formaler Voraussetzungen einer Kündigung zum Inhalt. Die Universität kündigte ein fast 20 Jahre andauerndes Dienstverhältnis. Dabei wurden an sich alle arbeitsrechtlichen Vorgaben erfüllt, unter anderem wurde vor dem Ausspruch der Kündigung der Betriebsrat eingebunden2 und es wurde die Kündigungsfrist und der Kündigungstermin eingehalten. Eine Begründung für diese drastische Maßnahme fehlte jedoch.
Besonderer Kündigungsschutz
Die gekündigte Person brachte dagegen eine Klage beim Arbeitsgericht ein und begehrte die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis über den Kündigungstermin hinaus aufrecht fortbestehe bzw. dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses für rechtsunwirksam zu erklären sei. Sie brachte vor, sie unterliege dem besonderen Kündigungsschutz nach § 22 KV, wonach das Arbeitsverhältnis nur unter Angabe eines Grundes gekündigt werden dürfe. Da ein solcher Kündigungsgrund im Kündigungsschreiben nicht genannt sei, sei die Kündigung rechtsunwirksam. Darüber hinaus sei sie auch sozialwidrig. Nach dieser KV-Bestimmung dürfen Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer (im Folgenden „AN“), die seit 20 Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, oder die das 45. Lebensjahr vollendet haben und seit 15 Jahren oder die das 50. Lebensjahr vollendet haben und seit zehn Jahren bei der jeweiligen Universität beschäftigt sind, nur mit Angabe eines Grundes gekündigt werden. Diese Gründe sind im § 22 KV aufgezählt und sind teilweise verschuldensabhängig, teilweise verschuldensunabhängig. Ein Kündigungsgrund liegt unter anderem vor, wenn der AN seine arbeitsvertraglichen Pflichten gröblich verletzt, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt oder wenn der AN zur Leistung der vereinbarten und angemess-nen Dienste unfähig wird. Die beklagte Universität wendete ein, dass zwar aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit die Kündigung begründet sein muss, das Unterbleiben der Nennung des Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben mache die Kündigung jedoch nicht per se rechtsunwirksam. Sie argumentierte mit § 21 KV, wonach ein unbefristeter Arbeitsvertrag zwar nur schriftlich gekündigt werden kann, die Angabe des Kündigungsgrundes wird hier jedoch nicht normiert. Es reiche daher aus, wenn der Kündigungsgrund spätestens im gerichtlichen Verfahren objektiviert werde.
Kündigungsschutz ähnlich VBG-Regelung
Das Erstgericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den Kündigungstermin hinaus aufrecht fortbesteht. Die Kündigung sei nur schriftlich zulässig und es müsse ein Kündigungsgrund iSd § 22 Abs 2 KV genannt werden. Daher führe die Nichtangabe des Grundes im Kündigungsschreiben zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dies stimme auch damit überein, dass der KV im Zuge der Ausgliederung der Universitäten entstanden sei und die Kollektivvertragsparteien offensichtlich ein Surrogat für den Kündigungsschutz der Vertragsbediensteten schaffen wollten. Tatsächlich wurde die Kündigungsbestimmung des § 32 VBG als Vorbild bei der Gestaltung des erweiterten Kündigungsschutzes des KV herangenzogen, wobei die Kündigungstatbestände im KV im Wesentlichen denen des § 32 Abs 1 VBG entsprechen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung ebenfalls nicht Folge. Es argumentierte damit, dass gemäß § 22 KV bestimmte AN, zu denen auch die Klägerin zähle, einen erweiterten Kündigungsschutz genießen (höheres Lebensalter in Kombination mit einer bestimmten Dauer des Dienstverhältnisses). Sie dürfen nur mit Angabe eines Grundes gekündigt werden. Diese Gründe seien in § 22 Abs 2 KV vollständig aufgezählt. Der Schutzzweck der Angabe des Kündigungsgrundes liege darin, dass Kündigungsgründe, die in einer schriftlichen Kündigung nicht enthalten seien, nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden könnten.
Eine Kündigung, bei der kein entsprechender Grund angegeben wird, gilt ausdrücklich als rechtsunwirksam. Es ist zwar richtig, dass die Schriftlichkeit der Kündigung nicht in dieser Rechtsnorm über den „erweiterten Kündigungsschutz“ genannt ist, sondern in der allgemeinen Kündigungsbestimmung des § 21 KV, doch ohne Schriftlichkeitsgebot auch für den erweiterten Kündigungsschutz könne diesem Schutzzweck schon wegen dessen mangelnden Beweiswerts nicht ausreichend Rechnung getragen werden. Damit kam auch das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Kündigung der Universität mangels Angabe zumindest eines Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben rechtsunwirksam sei. Das Berufungsgericht hatte auch darüber zu entscheiden, ob das Rechtsmittel der „ordentlichen Revision“ zugelassen wird. Dieses Rechtsmittel wurde zugelassen, weil zur Auslegung des § 22 Abs 1 KV keine Rechtsprechung des OGH vorliegt3 (im ablehnenden Fall hätte die Universität eine „außerordentliche Revision“ einbringen können, wo vor der inhaltlichen Prüfung des Rechtsmittels zunächst darüber zu entscheiden ist, ob die Revision überhaupt zugelassen wird). Die beklagte Universität stellte in der Revision den Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird, in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Auslegung nach dem Wortsinn
Auch der OGH gab der klagenden Partei Recht. Er führt aus, dass hier in erster Linie bei der Auslegung der Wortsinn und die sich aus dem Text des KV ergebende Absicht der KV-Parteien zu berücksichtigen sind.4 Bei der Auslegung einer kollektivvertraglichen Norm darf den KV-Parteien zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten.5
Angabe des Grundes zwingend erforderlich
Ausgehend vom Wortlaut der relevanten Bestimmungen ergibt sich zunächst aus § 21 Abs 1 KV, dass jede Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. § 22 Abs 1 KV sieht zusätzlich für bestimmte Beschäftigte einen erweiterten Kündigungsschutz vor. Diese dürfen nur „mit Angabe eines Grundes“ gekündigt werden. In der Folge werden in Abs 2 die Gründe, die zu einer Kündigung berechtigen, vollständig aufgezählt. Der KV verlangt daher im Rahmen des erweiterten Kündigungsschutzes ausdrücklich, dass die Kündigung nur unter Angabe des Grundes erfolgen darf. Richtig ist zwar, dass § 22 Abs 1 KV dafür nicht ausdrücklich die Schriftform vorsieht. Diese Bestimmung macht aber die Angabe des Kündigungsgrundes zum notwendigen Inhalt der Kündigung, die nach § 21 Abs 1 KV in jedem Fall schriftlich zu erfolgen hat. Entgegen der Revision ist dabei nicht zwischen (schriftlicher) Kündigungserklärung und (formloser) Begründung zu unterscheiden, vielmehr hat die schriftlich zu erfolgende Kündigung auch eine Begründung durch Angabe des Kündigungsgrundes zu enthalten. Der OGH hat bereits wiederholt zu verschiedenen Gesetzen, welche die (schriftliche) Angabe des Kündigungsgrundes fordern, ausgesprochen, dass der dem Gekündigten dienende Schutzzweck jener der notwendigen Angabe des Kündigungsgrundes in der schriftlichen Kündigung ist und dass andere als die in der schriftlichen Kündigung geltend gemachten Kündigungsgründe nicht nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden dürfen.6 Die Gründe müssen hier im Kündigungsschreiben angeführt werden, ein nachträgliches Unterschieben von anderen Kündigungsgründen ist unzulässig.7 Mangels Einhaltung der kollektivvertraglichen Formvorschrift war die Kündigung daher unwirksam.
1 OGH 19. 9. 2024, 9 ObA 5/24m.
2 § 105 ArbVG.
3 § 502 Abs 1 ZPO.
4 RS0010089.
5 RS0008897.
6 RS0082181.
7 RS0031367.