15.12.2025

Telearbeitsgesetz (Teil 2)

In diesem Teil werden die Fragen rund um den Dienst- bzw. Arbeitsunfall im Zusammenhang mit Telearbeit dargestellt und die Frage geklärt, was der Gesetzgeber unter Telearbeit „im engeren bzw. im weiteren Sinn“ versteht.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem GÖD-Magazin 8/2025 von Dr. Martin Holzinger

 

Mit dem Telekommunikations-gesetz (siehe Artikel des Autors in Ausgabe 7-25) wurden auch die einschlägigen Bestimmungen des ASVG und des B-KUVG zum Arbeits- und Wegunfall angepasst.1 Nun wird im Zusammenhang mit dem Unfallversicherungsschutz zwischen Telearbeit im engeren Sinn und Telearbeit im weiteren Sinn differenziert, womit sich daraus Unterschiede beim unfallversicherungsrechtlichen Wegeschutz ergeben.

Aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht hat sich die bisherige Definition des Begriffs Homeoffice, die auf die Definition in § 2h AVRAG Bezug nahm, als zu eng erwiesen und konnte nicht alle Lebensrealitäten abbilden. Der Begriff „Homeoffice“ wurde durch den Begriff „Telearbeit“ ersetzt. Aus diesem Grund wird nun eine eigene Definition der Telearbeit mit einer Unterscheidung in Telearbeit im engeren Sinn und Telearbeit im weiteren Sinn in den einschlägigen unfallversicherungsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen. Als Örtlichkeiten von Telearbeit im engeren Sinn2 gelten eine Wohnung, an der ein Haupt- oder Nebenwohnsitz der versicherten Person besteht (Homeoffice), weiters eine Wohnung eines nahen Angehörigen (inkl. Lebensgefährten), aber auch Räumlichkeiten eines Coworking-Spaces; das sind organisatorisch eingerichtete, vom Versicherten angemietete Büroräumlichkeiten. Als Örtlichkeiten von Telearbeit im weiteren Sinn3 gelten alle anderen Örtlichkeiten,  an denen Telearbeit ausgeübt wird und die vom Versicherten selbst gewählt werden.4

Erweiterung des örtlichen Zusammenhangs 
Aufgrund der Möglichkeit, Telearbeit von unterschiedlichsten Örtlichkeiten im In- und Ausland aus zu verrichten, sehen die Gesetzesmaterialien darin eine Erweiterung des örtlichen Zusammenhangs mit der die Versicherung begründenden Tätigkeit. Dies führt zu einer Ausweitung des Wegeschutzes im Vergleich zur bisherigen Rechtslage. Da sich durch diese Ausweitung eine Risikoerhöhung bei Wegen ergibt, wurde mit der Unterscheidung zwischen Örtlichkeiten von Telearbeit im engeren Sinn und Örtlichkeiten von Telearbeit im weiteren Sinn im Hinblick auf den Wegeschutz eine Abwägung getroffen und das Wegerisiko entweder dem Arbeitgeber oder dem Versicherten5 zugeordnet, um eine lebensnahe und sachgerechte Verteilung beruflicher und privater Risiken beim Wegeschutz zu erreichen.6 Um nicht „grenzenlos“ jeglichen Weg zu einem Ort des Telearbeitens zu versichern, hat der Gesetzgeber eine Einschränkung gemacht: Die Wohnung eines nahen Angehörigen des Versicherten und Räumlichkeiten eines Coworking-Spaces müssen sich dafür jedoch in der Nähe zum Haupt- oder Nebenwohnsitz des Versicherten oder dessen Arbeits- bzw. Dienststätte befinden oder die Entfernung von der Wohnung des Versicherten zu Wohnungen naher Angehöriger und Coworking-Spaces muss dem sonst üblichen Arbeitsweg entsprechen. Eine Entfernung entspricht dem „sonst üblichen Arbeitsweg“, wenn der Weg zur Wohnung eines nahen Angehörigen oder zu Coworking-Spaces dem Weg zur Arbeits- bzw. Dienststätte in zeitlicher und örtlicher Distanz vergleichbar ist. Der Weg zum Nebenwohnsitz des Versicherten ist unabhängig von der Entfernung ebenfalls versichert.

Regelungen zur Telearbeit im weiteren Sinn 
Bei allen anderen Wegen zu einem Ort, wo Telearbeit ausgeübt wird, handelt es sich um Örtlichkeiten der „Telearbeit im weiteren Sinn“. Hier stehen im Regelfall eigenwirtschaftliche Interessen im Vordergrund, warum man gerade an diesem Ort der Telearbeit nachgehen möchte. Darunter fallen etwa die Fahrt zum Park, in ein Freibad oder in ein Kaffeehaus, um dort zu arbeiten. Auch die Fahrt zu einem Hotel oder einer Ferienwohnung für einen Urlaubsaufenthalt, während dessen eine (tageweise) Verrichtung von Telearbeit im Hotelzimmer oder der Ferienwohnung erfolgt, fällt darunter. In diesen Fällen steht zwar die konkrete Verrichtung der Arbeitstätigkeit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, die Auswahl der konkreten Örtlichkeiten liegt jedoch überwiegend im eigenwirtschaftlichen Interesse des Versicherten. Deshalb ist der Weg zu und von diesen Örtlichkeiten unfallversicherungsrechtlich nicht geschützt.7 Der Schutz besteht auch dann nicht, wenn die Entfernung von der Wohnung z. B. in den Park, wo man Telearbeit verrichten möchte, kürzer ist als die Wegstrecke, die als der „sonst übliche Arbeitsweg“ (an die Dienststelle) gilt. Die Verrichtung der Telearbeit selbst ist sowohl bei Telearbeit im engeren wie auch im weiteren Sinn unfallversichert.

Judikatur des OGH ausstehend
Der Ausschluss sämtlicher Wegunfälle für Telearbeitsplätze im weiteren Sinn stellt eine neue Beschränkung des Unfallversicherungsschutzes dar, als selbst Wege, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, nunmehr nicht versichert sind.8 Dies ist dann rechtlich problematisch, wenn sich der Unfall im ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründeten Beschäftigung ereignet und somit nach bisheriger Rechtslage sehr wohl unfallversicherungsgeschützt gewesen wäre (wobei auch bisher der innere Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit möglicherweise in Zweifel gezogen worden wäre). Eine einschlägige Judikatur zu Wegunfällen bei Telearbeit im weiteren Sinn besteht – soweit ersichtlich – noch nicht. Früher oder später wird sich auch der OGH mit dieser Rechtsfrage auseinanderzusetzen haben, womit sich dann eine entsprechende Rechtsprechung entwickeln wird.

Verstoß gegen Gleichheitssatz?
Schon nach der bisherigen Rechtslage ist ein Versicherter bei der „Inanspruchnahme“ seiner freiwilligen Berufsvereinigung oder gesetzlichen Interessenvertretung (oder seiner Personalvertretung i. S. d. PVG) unfallversicherungsrechtlich geschützt. Die Wegstrecke zur Interessenvertretung – beispielsweise der zuständigen Fachgewerkschaft – ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich erwähnt; die mit dem Schutz verbundene sozialpolitische Absicht des Gesetzgebers spricht aber entschieden dafür, auch hier den Weg als inkludiert und damit versichert anzusehen. Die Verkehrsgefahr ist nämlich weit höher einzuschätzen als jene Gefahren, die vom Ort der Inanspruchnahme oder von den dort tätigen Menschen ausgehen. Die Bestimmung ist aber nicht anzuwenden, wenn der Weg von einem Telearbeitsplatz im weiteren Sinne angetreten wird. Der Sinn dieser Ausnahme erschließt sich nicht: Der Schutz auf dem Weg zur Interessenvertretung ist nach dem Gesetz weder räumlich noch zeitlich begrenzt. Es kann daher aber auch nicht darauf ankommen, ob er von daheim, von der Arbeitsstätte oder von einem Telearbeitsplatz angetreten wird. Die Unterscheidung des Schutzes für diesen Weg zwischen Telearbeitsplatz im engeren und im weiteren Sinn ist daher vollkommen sachfremd und verstößt wohl gegen den Gleichheitssatz.9

Der Gesetzgeber hat mit dem Telearbeitsgesetz die Rechtsposition der Unfallversicherten im Zusammenhang mit Telearbeit sicher verbessert und einige Zweifelsfragen geklärt. Gleichzeitig wurden jedoch viele neue Fragen eröffnet, weshalb schon nach einigen Monaten seit dem Geltungsbeginn in der Fachliteratur ein reger Gedankenaustausch stattfindet. Gespannt kann man auf die ersten einschlägigen Judikate sein. 

 

1 § 175 Abs 1a und 1b ASVG, § 90 Abs 1a und 1b B-KUVG.
2 § 175 Abs 1a Z 1 ASVG, § 90 Abs 1a Z 1 B-KUVG.
3 § 175 Abs 1a Z 2 ASVG, § 90 Abs 1a Z 2 B-KUVG.
4 Lindmayr, Telearbeitsgesetz (Lexis Briefings in lexis360.at).
5 Personenbezogene Bezeichnungen umfassen in unseren Rechtstexten zum besseren inhaltlichen Verständnis gleichermaßen Personen jeden Geschlechts.
6 ErläutRV 2597 BlgNR 27. GP 4. 
7 ErläutRV 2597 BlgNR 27. GP 5.
8 Brodil/Schnabl, Unfallversicherungsschutz bei Verrichtung von Telearbeit, ecolex 2025/47.
9  Müller in Moser/Müller/Pfeil, Der SV-Kommentar, § 175, RZ 244.