17.11.2023

Urlaubsverbrauch ist Aufgabe des Arbeitgebers

Kein Verfall bei bloßer Nichtkonsumation.

Dieser Beitrag stammt aus dem GÖD-Magazin 7/2023
von Mag. Stefan Jöchtl

 

Unionsrechtlicher Urlaubsanspruch
Während die österreichischen Regelungen zum Erholungsurlaub zumeist einen Verlust des entstandenen Anspruches bei bloßer Nichtkonsumation in einem bestimmten Zeitraum von zwei bis drei Jahren nach dessen Entstehen vorsehen, kennt das – dem innerstaatlichen Recht gegenüber Anwendungsvorrang genießende – Unionsrecht, auf dessen Ebene aber ebenso ein Recht auf bezahlten Jahresurlaub vorgesehen ist, eine solche Regelung nicht. Auch das europäische Gemeinschaftsrecht steht nun zwar grundsätzlich einem Verlust des Anspruches auf Erholungsurlaub nicht entgegen, wann dies jedoch eintreten darf, unterliegt der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes, an die die nationalen Gerichte gebunden sind.

Anlassfälle
Die Folge des Verlustes des Anspruches auf Konsumation des Urlaubs ist auch das Unterbleiben der sonst vorgesehenen finanziellen Entschädigung aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die die Bezahlung dieses Zeitraumes absichert. Bereits 2018 sprach der EuGH in zwei Verfahren1 aus, dass ein Verlust dieses Anspruches nicht statthaft ist, wenn dabei nicht beurteilt wird, ob der Arbeitnehmer, etwa durch angemessene Aufklärung, auch tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Diese Verfahren betrafen aber Arbeitsverhältnisse, in denen ein nur sehr kurzer Zeitraum von einem Jahr zur Konsumation offen stand. In einer Folgeentscheidung2 2022 hat der EuGH dann präzisiert, dass die unionsrechtliche Vorgabe auf Gewährung eines bezahlten Jahresurlaubes auch einer nationalen Regelung entgegensteht, nach welcher der Anspruch nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen. Der Arbeitgeber könnte sich sonst seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer entziehen und wäre durch den Urlaubsverfall auch bereichert. Diese Auffassung hat nun auch der OGH einer aktuellen Entscheidung3 zu Grunde gelegt und dem klagenden Arbeitnehmer den Ersatz für immerhin 322 ¾ im Zeitraum 2003 bis 2020 nicht konsumierte Urlaubstage zugesprochen.

Anforderung an das Verhalten des Arbeitgebers
Da nach der Rechtsprechung des EuGH schon ein Verhalten des Arbeitgebers, das den Arbeitnehmer davon abhalten kann, den Jahresurlaub zu konsumieren, einem Verfall oder einer Verjährung entgegensteht4, muss sich dieser aktiv darum kümmern, dass die Arbeitnehmer den zustehenden Urlaubsanspruch auch realisieren können. Selbst wenn es also so wäre, dass bei einem entsprechenden Antrag eine Urlaubsgewährung erfolgt wäre, ergibt sich daraus kein Verlust des Anspruches. Es muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich auffordern, den ihm zustehenden Urlaub zu verbrauchen, in diesem Zusammenhang auch auf eine sonst drohende Verjährung hinweisen, denn nur so kann er seiner Verpflichtung nachkommen, dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub tatsächlich in Anspruch nimmt.

Bedeutung für gesetzliche Urlaubsregelungen
Während im Dienstrecht des Bundes bereits seit der dritten Dienstrechtsnovelle 2019 vorgesehen ist, dass ein Verfall nicht eintritt, wenn es die oder der Vorgesetzte unterlassen hat, rechtzeitig, unmissverständlich und nachweislich auf die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes hinzuwirken, ist dies in anderen derartigen Regelungen, so vor allem auch im Urlaubsgesetz, bisher unterblieben. Für diese Bereiche gilt, solange eine dem Dienstrecht des Bundes entsprechende Änderung nicht erfolgt, dass das unionsrechtliche Verbot des automatischen Anspruchsverlustes zwar zu beachten ist, davon aber nur das unionsrechtlich garantierte Ausmaß des Jahresurlaubes erfasst ist. Dieses beträgt aber statt der in Österreich vorgesehenen fünf oder sechs Wochen lediglich vier Wochen, sodass der darüber hinausgehende Anspruch der fünften oder sechsten Woche weiterhin nationalen Verfalls- oder Verjährungsregelungen unterliegt. Auch dabei ist aber zu beachten, dass die faktische Unmöglichkeit des Verbrauches, so vor allem bei Krankheit5, den Lauf der Verjährungsfrist hemmt, diese also um die Dauer der Verhinderung nach hinten verschoben wird. Da das Auseinanderfallen der Folge einer Nichtkonsumation des Urlaubs in einen unionsrechtlichen und einen nationalen Teil des Anspruches wenig praktikabel erscheint, ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber vor allem auch im Bereich des Urlaubsgesetzes ähnlich wie im Bundesdienstrecht eine Harmonisierung vornehmen wird.

 

1 EuGH C-684/16, Max-Planck-Gesellschaft und C-619/16, Kreuziger
2 EuGH C-120/21, LB gegen TO
3 OGH 8 ObA 23/23z
4 EuGH C-214/16, King
5 OGH 9 ObA 39/07m