23.05.2022

Was gilt bei Abfertigung alt und neu?

Abfertigungsanspruch bei Beendigung des Angestelltenverhältnisses Abfertigung alt und neu.

von Mag. Stefan Jöchtl, Leiter der Abteilung für Kollektivvertrags- und Arbeitsverfassungsrecht in der GÖD

Das Abfertigungsrecht zerfällt seit 2003 in zwei Welten: Die der sogenannten Abfertigung alt mit der Anspruchsgrundlage im Angestelltengesetz (AngG) für Arbeitsverhältnisse, die bis 31.12.2002 begründet wurden, und jene der Abfertigung neu mit der Anspruchsgrundlage im Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) für Arbeitsverhältnisse, die ab 1.1.2003 begründet wurden.

Unterschiede
Während bei der Abfertigung alt der Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber direkt besteht, also von diesem angespart werden muss (die Anwartschaft ist über den Insolvenz-Entgelt-Fonds abgesichert), werden bei der Abfertigung neu die Beiträge monatlich (ab dem zweiten Beschäftigungsmonat) sofort an eine Vorsorgekasse abgeführt, die diese veranlagt und verwaltet1. Ein zweiter wesentlicher Unterschied ist, dass die Abfertigung alt abhängig von der Dauer der Dienstzeit in Stufen sprunghaft ansteigt (2/3/4/6/9/12 Monatsentgelte nach 3/5/10/15/20/25 Jahren), während bei der Abfertigung neu durchgehend 1,53 % des Monatsbezuges abgeführt werden und die Höhe der Anwartschaft damit kontinuierlich ansteigt. Geht man exemplarisch von einer Dauer der Erwerbstätigkeit von insgesamt 420 Monaten aus, so werden in diesem Zeitraum knapp 7,5 Monatsentgelte2 eingezahlt, die sich über die Veranlagungsdauer entsprechend erhöhen, was natürlich voraussetzt, dass nicht zwischendurch (bei Beendigung wegen Wechsel des Arbeitgebers) eine Auszahlung verlangt wird. Die Höhe der Abfertigung neu ist also auch vom Veranlagungserfolg3 der Vorsorgekasse abhängig, es besteht aber eine 100%ige Kapitalgarantie auf die eingezahlten Beiträge. Obwohl die Beiträge im Wege der Krankenversicherung abgeführt werden, gilt dabei keine Begrenzung durch Geringfügigkeitsgrenze auf der einen oder Höchstbeitragsgrundlage auf der anderen Seite.

Anspruchsfeindliche Beendigung
Der dritte wesentliche Unterschied liegt darin, dass bei bestimmten Beendigungsarten im Rahmen der Abfertigung alt kein Anspruch besteht und die oft jahrzehntelang erworbene Anwartschaft damit zur Gänze und unwiderruflich verloren geht. Das ist der Fall bei verschuldeter Entlassung und unberechtigtem vorzeitigen Austritt, aber auch im Fall der Selbstkündigung4 (ausgenommen bei Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters, im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Pensionsansprüchen oder während Schutzfrist sowie Elternteilzeit5). Bei der einvernehmlichen Auflösung besteht zwar automatisch ein Anspruch auf Abfertigung alt, dieser kann aber vertraglich abbedungen werden6. Bei der Abfertigung neu besteht in den genannten Fällen hingegen nur vorübergehend kein Auszahlungsanspruch gegenüber der Vorsorgekasse, dem Konzept der gesicherten Anwartschaft folgend gehen die eingezahlten Beträge aber nicht verloren oder werden gekürzt, sondern können in den genannten Fällen nur erst später7, nämlich bei der Beendigung des nächsten Arbeitsverhältnisses und jedenfalls bei Pensionsanspruch oder fünf beitragslosen Jahren, zur Auszahlung gebracht werden. Die Auszahlung bei Wechsel des Arbeitgebers ist aber immer nur fakultativ, natürlich kann die Abfertigung auch in der Vorsorgekasse belassen werden (das ist auch immer dann der Fall, wenn binnen 6 Monaten ab der Beendigung keine Verfügung von der ArbeitnehmerIn getroffen wird). Eine Einschränkung weist die Abfertigung neu auf: Ein Auszahlungsanspruch besteht nicht, solange noch keine 3 Beitragsjahre seit Beginn der Einzahlung oder seit der letzten Auszahlung vorliegen, das soll den Vorsorgekassen eine planbare Veranlagung ermöglichen.

Anspruch im Todesfall
Bei Ableben der ArbeitnehmerIn wird die Abfertigung alt nur mit dem halben Betrag an die unterhaltsberechtigten gesetzlichen Erben ausbezahlt. Bei der Abfertigung neu gebührt diese dem anspruchsberechtigten Personenkreis hingegen ungeschmälert und fehlen solche Berechtigten, fällt der Anspruch in die Verlassenschaft und kommt den gesetzlichen oder gewillkürten Erben zugute.

Abgabenrechtliche Vorteile
Mit der erfreulichste Aspekt bei der Auszahlung der Abfertigung ist die abgabenrechtlich vorteilhafte Behandlung: Kein Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen und eine Steuerbelastung von in der Regel 6 Prozent8. Bei der Abfertigung neu besteht darüber hinaus auch die Option der Umwandlung9 in eine dann sogar völlig steuerfreie lebenslange Rente.

 

1 Im unwahrscheinlichen Fall der Insolvenz einer Vorsorgekasse ist die Abfertigungsanwartschaft im Rahmen der Anlegerentschädigung über die Einlagensicherung mit einem Höchstbetrag von € 20.000, - gesichert.
2 Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein Beitrag auch von den Sonderzahlungen (13./14. Bezug) geleistet wird.
3 Im Jahr 2021 lag dieser im Schnitt bei 4,04 % (Quelle: Fachverband der Pensions- und Vorsorgekassen).
4 Wobei es hier nicht auf die äußere Form ankommt, sondern die Auflösungserklärung so zu bewerten ist, wie sie unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv verstanden werden muss. Wenn sich daher die Kündigung durch die ArbeitnehmerIn wegen langer Vorgespräche und zustimmender Haltung des Arbeitgebers zur Auflösung in Wahrheit als einvernehmliche Beendigung darstellt, steht die Abfertigung dennoch zu (aktuell OGH 8 ObA 89/21b).
5 Bei Selbstkündigung in Schutzfrist/Elternteilzeit besteht der Anspruch nur in halber Höhe und mit max. 3 Monatsentgelten.
6 Damit ist die Rechtslage für Angestellte etwas anders als für vertragliche DienstnehmerInnen des Bundes und der Länder, wo gesetzlich in der Regel vorgesehen ist, dass bei einvernehmlicher Auflösung eine Abfertigung alt nur zusteht, wenn diese vereinbart wurde. Im Gegenzug ist für diese DienstnehmerInnen in der Regel ein voller Anspruch auf Abfertigung trotz Selbstkündigung vorgesehen, wenn die Auflösung im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Eheschließung oder Verpartnerung, einer Geburt oder während einer Karenz oder Elternteilzeit nach MSchG oder VKG erfolgt (siehe zB § 84 Abs 3 VBG 1948 für den Bereich des Bundes).
7 Aber mit Ausnahme des Falls der Kündigung in Elternteilzeit und des Austrittes in der Schutzfrist, hier besteht der Anspruch sofort.
8 Im Rahmen der Abfertigung alt bei sehr geringen Einkommen auch darunter (sog. Vervielfachermethode, siehe § 67 Abs 3 Satz 1 EstG).
9 Durch Überweisung an eine Versicherung oder an eine bereits bestehende Pensionskasse.